Brauchtum in Sachsen-Anhalt zeigt sich in konkreten Festen, Orten und Handlungen. Überliefert wird es durch festgelegte Abläufe wie Umzüge, das Tragen historischer Gewänder, traditionelle Musik und regionale Speisen. Im Jahreslauf gestalten diese Feste den Rhythmus des Landes – mit lebendigen Traditionen, die Gäste und Einheimische gemeinsam tragen.
Jahresfeste mit Geschichte
Ob traditionell, verspielt oder inszeniert – Feste wie das Salinefest in Halle (Saale), das Hussiten-Kirschfest in Naumburg oder Luthers Hochzeit und das Reformationsfest in Wittenberg greifen historische Ereignisse auf und verwandeln sie in lebendige Stadterlebnisse. Dabei wechseln sich Umzüge mit Musik, Marktleben und festlichen Ritualen ab. Sie erinnern an lokale Identitäten – und laden dazu ein, sie gemeinsam zu feiern.
Auch in kleineren Orten prägen Feste den Jahreslauf. Das Köhlerfest in Hasselfelde zeigt die alte Holzkohleherstellung. In Wörlitz begleitet das Frühlingserwachen den Saisonstart im Park mit Musik und Führungen. Der Havelberger Pferdemarkt gehört zu den ältesten seiner Art in Deutschland – mit Tierschau, Jahrmarkt und Begegnung auf dem Platz. Die Eisleber Wiese, eines der größten Volksfeste in Mitteldeutschland, zieht jährlich hunderttausende Besucherinnen und Besucher an und verbindet Markttrubel mit Fahrgeschäften und Tradition. Und in Quedlinburg lassen die Königstage die ottonische Geschichte sichtbar werden – im Stadtbild, auf Bühnen und bei Führungen.











Regionale Küche
Tradition lebt auch am Tisch. Harzer Käse mit Kümmel, deftige Gerichte wie Bötel mit Lehm und Stroh, der Salzwedeler Baumkuchen oder die Halloren-Pralinen aus Deutschlands ältester Schokoladenfabrik erzählen von Handwerk und Geschmack, die über Generationen bewahrt wurden. Dazu kommen alte Bier- und Weintraditionen – vom Garley, der ältesten Biermarke der Welt, bis zu den Saale-Unstrut-Weinen aus dem nördlichsten Qualitätsweinanbaugebiet Deutschlands. Auch bekannte Marken wie der Schierker Feuerstein oder der Rotkäppchen-Sekt aus Freyburg stehen für Tradition mit eigener Geschichte – fest verankert im Alltag, auf Festen oder als Mitbringsel aus der Region.
Handwerk, das Generationen verbindet
Entlang der Straße der Romanik ist mittelalterliche Baukunst bis heute sichtbar – in Klöstern, Domen und Dorfkirchen. Beispiele für gelebtes Handwerk sind die historische Saline in Halle mit originalem Salzsiederhandwerk, Drechslereien in Wernigerode oder Gerbereien in Tangermünde mit traditioneller Lederverarbeitung. Auch die Dombauhütte in Quedlinburg führt mittelalterliches Bauwissen fort – mit handwerklicher Präzision und Aufgaben bis in die Gegenwart: etwa bei Restaurierungen, der Ausbildung von Nachwuchskräften oder der Pflege historischer Substanz. Es sind nur einige von vielen Orten, an denen sich altes Wissen und Techniken bis heute erleben lassen. In Naumburg bietet die KinderDomBauhütte viel für die Kleinen: Hier können Kinder selbst aktiv werden – und dabei spielerisch erfahren, wie früher gebaut wurde. Es sind nur einige von vielen Orten, an denen sich altes Wissen und Techniken bis heute erleben lassen.


Feste mit Tradition
Am letzten Aprilabend verändert sich die Stimmung im Harz. Nebel zieht durch Täler, Rauchschwaden steigen in den dunklen Himmel. Über zwanzig Orte, von Thale bis Schierke, feiern die Walpurgisnacht. Der Legende nach treffen sich in dieser Nacht Hexen auf dem Brocken – dem Blocksberg – mit dem Teufel, um zu feiern und zu tanzen. Auf dem Hexentanzplatz tanzen Gestalten in langen Umhängen und spitzen Hüten um knisternde Feuer, Trommeln hallen zwischen den Felsen. Die Walpurgisnacht gilt auch als Frühlingsfest, bei dem die dunkle Jahreszeit vertrieben wird. Geschichten vom Brockenflug und vom Teufel mischen sich mit dem Geruch von Harzholz. Das Fest wurzelt in vorchristlichen Vorstellungen, wurde durch Goethes Faust weltbekannt und verbindet heute Mythos, Gemeinschaft und ein Schauspiel unter freiem Himmel.
Das Brunnenfest erinnert seit über 250 Jahren an die Erschließung der Solequellen. Über mehrere Tage ziehen Festumzüge, das historische Borlachspiel und die Wahl der Brunnenkönigin Gäste und Einheimische an. Die Solemessung und das Feuerwerk sind feste Höhepunkte – seit 2023 als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Neben dem Traditionsprogramm gibt es Konzerte mit moderner Musik, Pop-Acts und DJ-Sets – ein Fest, das Geschichte lebendig hält und zugleich offen für neue Klänge ist.
In Spergau, einem Ortsteil von Leuna, wird der Winter ausgetrieben. Bei der Lichtmeß, erstmals 1688 erwähnt, übernehmen junge, unverheiratete Männer klar festgelegte Rollen – von Eierfrauen über Küchenburschen bis zu Scherenschleifern. In Gruppen ziehen sie von Haus zu Haus, sammeln Gaben und überbringen Glückwünsche. Am Ende lodert ein Feuer, das für Reinigung und Neubeginn steht. Die Lichtmeß findet jedes Jahr am ersten Sonntag, der auf oder nach den 2. Februar fällt. Auch die Spergauer Lichtmeß gehört zum immateriellen Kulturerbe.
Ströbeck bei Halberstadt pflegt seit Jahrhunderten die Schachtradition – diese wurde 2016 zum immateriellen Kulturerbe ernannt. Hier ist Schach Pflichtfach in der Schule, im Museum werden Figuren und Bretter aus Jahrhunderten gezeigt, und beim Lebendschach ziehen Menschen selbst als Figuren über das Spielfeld. Internationale Turniere und alte Schachregeln, die bis ins 19. Jahrhundert genutzt wurden, halten diese Kultur lebendig.
